Ehehaftenkanal und altes Gewerbe

 

ehehaftenkanal

 

Im Obernau waren nebst Land- und Forstwirtschaft auch alte Handwerke und Gewerbe heimisch. Das Wasser der beiden Krienbäche wurde intensiv zum Antreiben verschiedenster Wasserräder benutzt. Die Lebensader war der Ehehaftenkanal, der 1592 errichtet wurde. (ehehaft = "der zu Recht bestehende" oder auch "zu ewigem Nutzen bestehend"). Man erstellte verschiedene Zu- und Wegleitungen zum kleinen Krienbach und immer wieder kleine Sammelbecken, um bei Bedarf genügend Wasserkraft oder ein Ausgleichsbecken zu haben. Erst 1895 errichtete man den Blattigweiher, um die sehr ungleiche Wasserführung besonders des untern Krienbaches ausgleichen zu können. Dank dem Ehehaftenkanal konnte sich Kriens industriell entwickeln. In der Blütezeit der Wasserkraft lieferten zwischen Obernau und Luzern 26 Wasserräder die Antriebskraft für verschiedenste Gewerbe. Kanäle und Bäche waren so durchdacht miteinander verbunden, dass alle Räder gleichzeitig laufen konnten.

 

Haas'sche Knochen- und Lohmehlstampfe

heute Rengglochstrasse 34

Bereits 1589 wurde dem Lenz Haas die Bewilligung zur Nutzung des Krienbaches erteilt. Vor allem wurden Eichen- und Tannenrinde zu Lohmehl zerkleinert. Lohmehl war ein Hilfsmittel der Gerber zum Herstellen von Leder. Auch wurden besonders in Kriegszeiten Knochen zerstampft, um so Dünger zu gewinnen.

knochenstampfe1944 Knochenstampfe um 1944

"Veri Friedli" bringt mit Ross und Wagen Knochen zur Herstellung von Dünger. Während der Kriegszeit ein rarer, gefragter Artikel für die Landwirtschaft.

knochenstampfe_morser Die Schläge im Sekundentakt zermalmen in Eisentrögen die ausgekochten Knochen zu Mehl (Dünger).

Das Wasserrad dreht einen Stamm, die Nockenwelle. Daran heben drei Nocken (Holzzapfen) die Stössel an und lassen sie unter ihrem eigenen Gewicht niedersausen.

wendelbaum Der sogenannte Wendelbaum war direkt mit dem oberschlächtigen Laufrad verbunden. Dieses befand sich auf der Aussenseite der Wand.
 
knochenstampfe Als die Stampfe dem Marmorwerk Dalla Bona weichen musste (heute Rengglochstrasse 26), wurden die wichtigsten Teile zum Schulhaus Feldmühle versetzt, wo sie noch heute im Original bestaunt werden können.

 

Stampfeli

Dieses Haus hat eine ganz interessante, vielschichtige und sehr wechselvolle Geschichte. Wie schon der Name sagt, wurde auch hier Lohmehl gestampft.

In der Chronik von Melchior Schnyder steht unter der Jahrzahl 1846:
Herr August Bell hat um diese Zeit vorn am Schachenwalde, wo vorher eine Lohmehlstampfe war, ein Fabrikgebäude aufgeführt, worin er Schnür- und Hutgeflechtfabrikation von Rosshaaren und Manilahanf oder Chinesischem Gras eingerichtet hat, welche heute gut gedeiht.

1855 wurde das Gewerbegebäude in ein 6-Familienhaus umfunktioniert. Später befand sich im östlichen Teil ein Usego-Laden, bis 1975 ein "Mini-Warenhaus", in dem man vom Salat über Spaghetti, Wein, Bier und Most, Hosenträger, Ueberkleider, Schrauben und Nägel, sogar Bleistiftspitzer und Schreibtinte, einfach alles beziehen konnte. Marie Haas führte im "Nebenamt" diesen Laden. Als aber die Usego für angelieferten Salat mehr verrechnete, als die Migros im Verkauf verlangte, bedeutete dies das Aus für die Einkaufsgelegenheit im Obernau.

 

Nagelschmitte

heute Obernauerstrasse 102

nagelschmitte Echte, handgeschmiedete Nägel aus der Nagelschmitte Obernau.

Diese Nägel wurden meist aus Alteisen geschmiedet, und es brauchte schon viel Geschicklichkeit, jeden Nagel einzeln von Hand zu schlagen. "Nagler Balz" (Balthasar Schryber) war der letzte Nagelschmied. Die Automatisation verdrängte dieses alte Handwerk.

 

Sensenschmiede

heute Sägerei Klingler, auf der linken Strassenseite, das Wohnhaus auf der rechten Strassenseite, Obernauerstr. 84

Hier war eine Sensen- und Waffenschmiede und bis Ende des 1. Weltkrieges auch eine Knochenstampfe. Was dieser Schmied herstellen durfte, war obrigkeitlich genau geregelt: Grösse und Gewicht der Sensen, die Art der Waffen usw. Im Libell (Verordnung) von 1741 steht:

Was dem Ssägesenschmidt ist Erlaubt zu arbeiten: Ssägisen, allerhand Neüe waffen, axen, bieler, Winckel Mäss, Wasserssagen, bundhögen, zimmerleüth Wärchzeüg, Handsagen, grienschufflen, deckhämer, dünckell Näper (Bohrer für hölzerne Wasserleitungen), klein und gros Näper, züg Mässer, Dächsell und dergleichen arbeidt.

Der letzte Schmied auf der Sensenschmiede war der Grossvater von Franz Röösli. Er arbeitete dort, bis er die bedeutend grössere und besser eingerichtete Hammerschmiede (heute Obernauerstrasse 78) erwerben konnte.

senseschmiede Senseschmiede Obernau, ca. 1910
Rechts posieren sich die Leute aus der Schmiede Bleiker (Vorgänger von Röösli), links die aus der Wagnerei Klingler.

Neben der Schmiede war im gleichen Gebäude auch die Wagnerei Klingler. Das schopfartigie Gebäude am linken Bildrand ist die dazugehörende Sägerei.

 

wasserrad Bis etwa 1960 liefen die Maschinen der Sägerei Klingler noch mit einem Wasserrad. Heute ist alles elektrifiziert.

 

Die Sensenschmiede war auch eine wichtige "Schaltstelle" für die Wasserführung im Bach und/oder Kanal. Von der Nagelschmiede konnte das Ehehaftenwasser zur Sensenschmiede geleitet werden, aber auch vom Kleinen Krienbach her und dann weiter zum Hammerschmiede-Weiher, der sich etwa dort befand, wo heute der Ententeich zwischen den Häusern Obernauerstrasse 92 und 98 dahindümpelt.

Das ehemalige Wohnhaus "Sensenschmiede" der Familie Klingler, erbaut 1727, wurde 1956 ein paar Meter von der Strasse weggeschoben, um dem immer wachsenden Verkehr Platz zu machen und 2020 an die Architekten Romano + Christen verkauft, welche das Wohnhaus renovierte.

 

Hammerschmiede

heute Schmiede-Schlosserei Röösli, Obernauerstrasse 78

Dieses Werk bestand schon vor der Errichtung des Ehehaftenkanals (bereits 1598 schriftlich erwähnt, andere Quellen nennen das Jahr 1539.) und war eines der grössten und bedeutendsten Hammerwerke der Zentralschweiz. Zu den wichtigsten Aufgaben gehörte das Aufziehen von massiven Eisenreifen auf die Holzräder der damaligen Wagen. Noch kannte man keine Pneuräder. Die Schmiedemeister Filliger handelten auch mit Holzkohle, dem Heizmaterial für die Schmiede-Esse.

hammerschmiede02 Schmiedmeister Gugg, Geselle Franz Furrer, Geselle Frid. Riedweg, 1917.

Beachten Sie die gewaltigen Hämmer, die vom Wasser des Ehehaftenkanals in Betrieb gesetzt wurden. Um genügend Wasser zu haben, musste der Hammerschmiedeweiher schon recht angefüllt sein. Das Wasser floss im Kanal abwärts zum Eichenspesweiher, der auch wieder bei grossem Wasserbedarf vom Krienbach her zusätzlich gespeist werden konnte, und der die gewaltigen Wassermassen bei Vollbetrieb der Hammerschmiede auffing.

 

hammerschmiede Hammerschmiede Obernau 1933
v.l.n.r. Anton Röösli, Nina Röösli, Gritli Villiger, Ferdinand Röösli.
 

 

Sägerei und Oelmühle

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts stand dort ein Dreifamilienhaus, daran angegliedert eine von einem Wasserrad betriebene Sägerei und eine Oelmühle. Darin befand sich auch ein Dampfkessel. Wahrscheinlich wurde dieser zur zusätzlichen Energielieferung herbeigezogen: Mit Sägereiabfällen gespeist, lieferte er zusätzliche Kraft.

Wozu aber eine Oelmühle? Speise- und Maschinenöle waren in Notsituationen wie z.B. während dem letzten Weltkrieg sehr knapp. Darum musste jede Möglichkeit zur Oelgewinnung genutzt werden. Die Bauern pflanzten vermehrt Raps, Sonnenblumen und Mohn an. Die Schüler mussten im Herbst klassenweise in die Wälder, um für die Gemeinde Buchnüsse zu sammeln. Diese Oelfrüchte wurden dann in der Oelmühle zerrieben und ausgepresst. Auch altes Maschinenöl wurde wieder aufbereitet. Herr Müller verstand es, mit Zusätzen ein vollwertiges Regenerat herzustellen, das neuem Oel “die Stange halten konnte".

1942 brannten Sägerei, Oeli und Dreifamilienhaus im Eichenspes nieder. Familie Odermatt baute die Sägerei mit einem Einfamilienhaus wieder auf. Mittlerweile ist auch diese Sägerei verschwunden. Nur noch vorne an der Strasse steht die "Lädehütte" und dient dem Werkhof Kriens als Lager- und Maschinenraum.

 


Literatur, Quellen, Fotos

  • Quartierverein Obernau: Obernauer Chronik, S.21-25
  • Fotos: Hans Klingler | Franz und Hanni Röösli | Quartierverein Obernau