Ränggbach

 

 ObernauStrassenverzweigung 1950    ObernauStrassenverzweigung 1990
Früherer Verlauf des Obern und des Untern Chrienbaches   Heutiger Verlauf des Rängg- und Chrienbaches

 

Klärung des Namens

Früher gab es den Obern und den Untern Krienbach. Der Obere Krienbach (auch Grosse Krienbach) - heute Ränggbach - hat seine Quellen in der Gegend der Mühlemäss und Bonern. Rund 30 Bäche aus einem vor allem bewaldeten Einzugsgebiet von rund 11,2 Quadratkilometern fliessen am Hang des Pilatus in den Hauptarm des Ränggbachs. Er fliesst unter der Hergiswaldbrücke, durch die Ränggschlucht in die Kleine Emme. Noch im Gemeindeplan von 1990 steht der Name Krienbach im heutigen Ränggbach oberhalb der Hergiswaldbrücke.

Der Untere Krienbach (auch Kleine Krienbach) entspringt in der Schwendi, fliesst zwischen den Schulhäusern Obernau 1 und 2 durch gegen das Restaurant Obernau und die Längmatt und ab Krienser Busschleife unterirdisch Richtung Unterhus, in einem Entlastungsstollen durch den Sonnenberg und beim Kreuzstutz in die Reuss.

Früher ergossen sich der Obere und der Untere Chrienbach vereint in den See, später in die Reuss. Ein Wässerlein aber floss schon immer durch die Rängglochschlucht.

 

Die Überschwemmungen

Ausbrüche des Ränggbachs und des benachbarten Krienbachs erfolgten häufig, heftig und mit enormem Schadenspotenzial in Richtung Obernau, Kriens, Luzern und Horw. Bei heftigen Gewittern verwandelten sie sich in reissende Wildbäche mit 50 und mehr Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Früher verfingen sich im Oberlauf mitgerissene Baumstämme im ungepflegten, engen Bachbett und bildeten einen Stausee, der unter der Wucht des nachströmenden Wassers plötzlich barst. Mit Geschiebe belastet verstopfte der Grosse Krienbach immer und immer wieder seine engste Stelle, das Ränggloch. Es gab Rückstauungen oder die Wassermassen brachen bereits unterhalb der heutigen Hergiswaldbrücke aus, so dass der "Grosse" mit dem "Kleinen" Richtung Kriens und Luzern ausbrach, zwischen 1333 und 1738 nicht weniger als 27 mal!

 

Die Pilatussage

Die Menschen des Mittelalters konnten sich nicht vorstellen, dass zwei sonst so harmlose Bäche so gewaltige Verwüstungen anrichten konnten. Hier mussten dämonische Kräfte am Werk sein. In Zeiten, wo man mehr wunderlich als rational-wissenschaftlich dachte, schrieb man diese Gewalt Hexenwerk oder dem Zorn des römischen Landpflegers Pontius Pilatus zu, dem Namensgeber des Luzerner Hausbergs. Er soll seine letzte Ruhestätte in einem dunklen Bergsee auf der Oberalp gefunden haben. Wurde seine Ruhe mit einem Steinwurf in das Gewässer gestört, sandte er furchtbare Unwetter (zu lesen in Meinrad Lienerts „Schweizer Sagen und Heldengeschichten“). Der Bergesee wurde von nun an Pilatussee genannt. Lange Zeit war es daher den Leuten verboten, den verrufenen Pilatussee aufzusuchen. Darum erliess der Rat zu Luzern zwischen 1370 und 1578 verschiedene Verbote. Die Sennen der benachbarten Alpen wurden eidlich verpflichtet, das Betreten des Seegebietes durch Unbefugte zu verhindern. Wer auf dem Weg zum Pilatussee ertappt wurde, landete vor Gericht.

pankratz Pankratz, der Pilatuswächter, ertappt zwei Buben, die trotz strengstem Verbot zum sagenumwitterten See wollen, um für ihren kranken Vater das Kraut "Teufelszungen" zu holen.


Wie gross die Ängste vor dem Berg waren, und wie schlecht man die Geographie kannte, ersieht man daran, dass die Wässer aus der Oberalp und der Bründlenalp in den Rümlig fliessen, und der ergiesst sich in Schachen in die Kleine Emme und nicht über den Krienbach in die Reuss.

 

Massnahmen gegen Überschwemmungen

Über die Jahrhunderte versuchten sich die Luzerner gegen die Überschwemmungen zu wehren. Gemäss mündlichen Berichte über die Taten der Gräfin Gutta von Schauensee - sie hat das Franziskanerkloster 1223 in Luzern gegründet - erteilte sie den Ratschlag, dem Wildbach ab der Stelle, wo heute die Hergiswaldbrücke steht, ein neues Bett zu graben und ihn durch die Rängglochschlucht zu leiten. Wohl um ihr Werk besser vor dem Krienbach zu schützen. Abgesehen vom Bau erster Steinwuhren blieb die Bekämpfung der Bachausbrüche bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts jedoch Symptombekämpfung, welche die Schäden allenfalls lindern, aber nicht verhindern konnten. Peter Stalder von der Würzenalp schlug 1812 vor, bei der Hergiswaldbrücke eine Schleuse zu errichten. Wenn die Bachläufe verstopft seien, sollte diese geöffnet werden und die Wassermassen würden das Bachbett reinigen. Die Schleuse wurde gebaut und bei der ersten Probeöffnung blieben schon nach 50 m die grössern Steinblöcke im Bachbett liegen. Erst Conrad Escher von der Linth erkannte, dass alle Bäche im ganzen Einzugsgebiet verbaut und die Wälder gepflegt werden müssen und ein fester Kanal mit starken Seitendämmen zwischen Hergiswaldsbrücke und Ränggloch nötig sei. Er legte seine Ansichten und Pläne 1819 vor. Die meisten Ausbauversuche in den Jahren zwischen 1820 und 1880 folgten mehr oder weniger dieser Idee. Jedoch erst zu Beginn des 20. Jahrhundert wurde der Wildbach als hydrologische Einheit behandelt. Man konzentrierte sich nun auf die Ursachenbekämpfung. Wiederaufforstungen und die Regulierung des Ränggbachs am steilen Oberlauf durch fast 700 Sperrbauten im gesamten Einzugsgebiet vermochten den Ränggbach und den untern Krienbach endgültig zu zähmen.

Zu Ehren von Conrad Escher von der Linth, auf den die Ränggbachverbauungen zurückgehen, wurde die am 17. November 2012 eröffnete neue Hergiswald-Brücke "Conrad-Escher-Brücke" getauft. Dieses Bauwerk zwischen Kriens und Eigenthal überquert den Ränggbach und ersetzte die über 200 Jahre alte und unter Denkmalschutz stehende Holzbrücke.

 

Bachmeister

Schon 1418 setzte die Stadt Luzern drei Bachaufseher ein, die mit der Beaufsichtigung der Verbauungen (Wuhren) und der Säuberung der Bachbette von Krien- und Ränggbach betraut wurden. 1544 wurde der oberste Amtsträger der Stadt Luzern, der Schultheiss, zugleich auch Ränggbach-Bachmeister – der Kampf gegen Hochwasser wurde damit zur Chefsache. Ab 1887 wurde das Ränggbach-System im Einzugsgebiet des Ränggbachs von einer Genossenschaft unterhalten, in der die Gemeinden Kriens und Horw, die Stadt, Korporation und Kirchgemeinde Luzern, die Zwinggenossenschaften Blatten und Littau sowie die Schweizerischen Bundesbahnen als potenziell Betroffene zusammengeschlossen waren. Über diesen Zusammenschluss wurden das Fachwissen von Experten und die Infrastruktur der Verbauungen koordiniert mit dem Ziel, die Bachsperren regelmässig zu unterhalten und deren Schutzwirkung zu erhalten. In die Unterhaltskosten des Systems teilten sich je nach Projekt die Ränggbachgenossenschaft, die ca. 42 % der Baukosten übernahm (wobei die Stadt Luzern und die Stadt Kriens den Hauptteil daran trugen), zusammen mit dem Bund mit ca. 39 % und dem Kanton Luzern mit ca. 19 %.
Die Ränggbachgenossenschaft stellte auch den Bachmeister. Dieses Amt lag seit 1812 ununterbrochen bis zur Auflösung der Genossenschaft Ende März 2020 in der Hand der Familie Haas, Förster und Bauern auf dem Hof Längacher im Obernau. Bachmeister sein hiess noch bis über die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts hinaus, selber am Bach zu arbeiten: Freiräumen, um den Abfluss sicherzustellen. Das Erstellen von Dämmen und Staustufen, um die Kraft des Bachs zu bändigen. Vor allem italienische Bauarbeiter haben unter der Leitung des Bachmeisters Werke erstellt.

pankratz Die auf der linken Seite unterhalb der Blattigbrücke eingebaute Gedenktafel ist Zeuge, dass 1924 die Bachverbauung durch das Bauunternehmen Savoldi und Umboldie erstellt wurde.


In der Abstimmung vom 19. Mai 2019 wurde von der Stimmbevölkerung das neue kantonale Wasserbaugesetz an der Urne angenommen. Damit ging die Verantwortung und Schutzaufgabe der Gewässer an den Kanton Luzern über. Die Ränggbachgenossenschaft brauchte es somit nicht mehr und wurde daher Ende März 2020 aufgelöst.

 


Literatur, Quellen, Fotos

  • Dr.phil. Gregor Eggloff: Der Renggbach und seine Meister, Staatsarchiv Luzern, 2016, Beitrag in Die Natur kennt keine Katastrophen, S.47-65
  • Quartierverein Obernau: Obernauer Chronik, S.7-13